Mit einem sehr kompetent präsentierten und "aufmüpfigen" Referat erhielten die Besucher der Herbstversammlung 1997 der GST einen faszinierenden Einblick in eine der vielen Küchen der Swisscom AG.
Bei seinem Blick hinter die Kulissen der Entwicklung von "Blue windows" erinnert sich der Referent, Herr Zingg, schelmisch an jene Szene als er sich kurz vor der Pressekonferenz in "irgend-einer Toilette" noch rasieren musste... Die Demoversion des Produkts war damals nämlich erst "30 Sekunden vor 12" d.h. vor Absage der Präsentation als funktionsfähig erklärt worden - nachdem es in den vorangehenden Tagen recht turbulent zu und her gegangen sei. "Wir gingen damals zu rasch an den Markt und vor allem ohne die Presse vorgängig ausreichend zu orientieren - Das hat zu vielen Missverständnissen über unser Angebot geführt. Wir haben dann in mehr als einjähriger Kleinarbeit nachgeholt, was wir am Anfang sträflich vernachlässigt haben". So wurde den Ingenieuren unter anderem für die nachfolgende Weiterentwicklung eine Telefonistin zur Seite gestellt, um in erster Linie die Brauchbarkeit der Anwenderschnittstelle sicher zu stellen. Und doch: Trotz all der damals noch offenen Punkte wäre es auch aus heutiger Perspektive schwierig, den richtigen Zeitpunkt für die Präsentation festzulegen: Hamlet's Fragestellung würde da wohl lauten: "Wann machen? wann fragen? das ist hier die Frage!". Die Parallelen zu den Aussagen von Herrn Bürgin über die Erfahrungen bei der Entwicklung der Software für die Betriebsleitzentrale der SBB in Zürich sind jedenfalls deutlich zu erkennen.
Im Zusammenhang mit der Markteinführung neuer Produkte will der Referent künftig auf die Unterseeboot-Technik abstützen, wonach man mit dem Pilot an verschiedenen Stellen vorsichtig das Teleskop ausstreckt und dann das eigentliche Produkt erst an sicherer Stelle effektiv auftauchen lässt.
Gemäss Direktor Reis werden für die Swisscom gerade in den deregulierten Märkten Konflikte entstehen, die früher im geregelten Umfeld gar nie entstehen konnten bzw. unterdrückt wurden. Die Befreiung der Entwicklung vom "für alle recht machen" hin zum gezielten "für einen Kunden bzw. für einen bestimmten (interessanten) Markt recht machen" ist ein Vorteil der Liberalisierung und geht mit der Loslösung vom "Milchkuh-Dasein" der früheren PTT einher. Heute befasst sich Herr Zingg mit der Entwicklung von Anwendungen auf der Basis von Blue Windows. Er präsentierte sein jüngstes Kind, das Pilotsystem für ein "Informations- und Buchungssystem in einem Intranet für Profis" ->>, über das das aktuelle Touristik-Angebot zB. einer Region - für den Pilot wurde das Berner Oberland gewählt - vom Hotelzimmer bis hin zum lokalen Ereignis in einem Dorf eingesehen werden kann und zugleich Buchungen vorgenommen werden können.
In diesem Entwicklungsprojekt erwiesen sich eingehende Branchenkentnisse als zentraler Erfolgsfaktor. Eine enorme Vielfalt von Signalen aus dem Markt musste im System Design mitberücksichtigt werden. So wurde mitunter schnell erkannt, dass die vielen zT. sehr umfangreichen Grafiken gerade für den professionellen Markt (Reisebüros etc.) ein "schnelles Netz" erfordern. Für den professionellen Zugang wurde deshalb ein leistungsfähiges Intranet erstellt. Mit der Softwareentwicklung wurden 2 Firmen aus verschiedenen Kantonen der Schweiz beauftragt.
Dank der Deregulierung können die Produkte der Swisscom heute auf den Weltmarkt ausgerichtet werden - dh. die Software kann auch ins Ausland verkauft werden, was den potentiellen Absatz-Markt wesentlich vergrössert (Hardware wird ohnehin nur noch geleast). Hingegen sind wir mit der Finanzierung heute bekanntlich mehr gebunden - und doch: Beim Pilot legen wir jeweils drauf, dazu sind wir auch bereit. Aber bereits bei der Vorserie wird Produktivität bzw. ein Gewinn vorausgesetzt".
Eine gewichtige Krux, die sich dahinter versteckt, kommt gerade im vorgezeigten Projekt zum Vorschein: Überall, wo wir unsere Entwicklung vorführen, rennen wir offene Türen ein - das häufig gehörte Attribut ist 'Super' - sobald es aber um die finanziellen Konsequenzen geht, wird es still und niemand ist mehr da..." aber mit diesem Problem stehen wir nicht allein..."
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