Gerne erinnert sich Herr Bena an die ersten 20 Jahre seiner Tätigkeit bei Swissair, in denen er in einem auf die Zukunft ausgerichteten, angenehmem Arbeitsklima "Pionierarbeit mit Forschungscharakter" leisten durfte. Seit ca. 5 Jahren weht an seinem Arbeitsplatz aber ein zunehmend schärferer Wind, Ziele sind nur noch auf das reine Überleben der Firma ausgelegt - bedingt nicht zuletzt durch den internationalen Konkurrenzuck, der im Fluggeschäft einer Firma ohne staatliche Stütze den Boden unter den Füssen wegschmelzen lässt. Auch ein Wirtschaftszweig, in dem die einst als wärmend versprochene Sonne der "globalisierten Märkte" inzwischen gleissend wurde? Böse Zungen behaupten geräteweise, dass die SAir-Gruppe nur gesunden kann, wenn sie das operative Stammgeschäft - den internationalen Flugbetrieb - verkauft....
Für seinen heutigen Arbeitgeber, bei dem im wesentlichen die Informatikmittel der früheren Swissair zusammengefasst sind, sieht Herr Bena gute Chancen. Gerade mit dem über Jahre hinweg gereiften Softwarepaket für Logistik und Betrieb von Flughäfen und Fluggesellschaften, das seit der Reorganisation der Swissair auch gegenüber Dritten angeboten wird. Auch wenn ein wichtiger und zentraler Teil dieser Software noch in Assembler programmiert ist und dies auch bleiben wird. Diesbezüglich sei ein Point of no Return überschritten, indem ein Re-Engineering des heute ausreichend zuverlässig funktionierenden Echtzeit-Abfragesystems (mit dem auch über weltweite Kommunikationsstrecken Responszeiten von weniger als 2 Sekunden garantiert werden können) ausserhalb der finanzierbaren Reichweise liegt. Kundenorientierte Politik der kleinen Schritte und nicht Konzepte mit Forschungs- bzw. Schönheitscharakter sind heute angesagt.
Nach diesen einführenden Exkurs kam Herr Bena auf den Chancenträger für Atraxis aus seiner Sich zu sprechen: AI, d.h. Künstliche Intelligenz zur Verbesserung und Ergänzung bestehender Arbeitsabläufe ("Business-Prozesse") gerade im hauseigenen Softwareangebot:
AI wurde in den 80er Jahren fast über Nacht zum grossen Renner in der Softwarebranche, als es Edward Feigenbaum über eine geschickt geschürte Angstkampagne vor der aufstrebenden japanischen Konkurrenz gelang, das amerikanische Departement of Defense zu überzeugen, substantielle Finanzmittel für die Forschung im Bereich der Künstlichen Intelligenz (speziell Robotics und Expertensysteme) bereitzustellen. Dieses Ereignis löste eine Kaskade von Aktivitäten aus, die u.v.a. auch Begriffen wie die objektorientierte Programmierung (bzw. Denkweise) zum Durchbruch verhalfen. Die Entwicklung der AI-Forschung verläuft auf 2 mehr oder weniger getrennten Pfaden:
Auf den psychologisch orientierten Pfad wird versucht, den Begriff "Intelligenz" zu erfassen. Hier ist auch die Wurzel jener Angst vor dieser Technologie zu suchen, die nach Herrn Bena nicht zuletzt darin gründet, dass "der Mensch" befürchtet, ein weiteres natürliches Primat - die Intelligenz - zu verlieren. (1. verlorenes Primat: das heliozentrische Weltbild, das den Fortschritt über Jahrhunderte behinderte; 2. verlorenes Primat: Darwin's Theorie, mit der die damals gültige religiöse Vorstellung des Biblischen Paradieses überdacht werden musste; 3. verlorenes Primat: Freud's Theorie der triebbegründeten Entscheidungskriterien des Menschen, die den Begriff Ethik in ein neues Licht setzte). Arbeiten in dieser Richtung führten zu Begriffen wie Michie's Definition des Hirns als "Fleischcomputer" und Weizenbaums Aufforderung "Computer aus ethischen Gründen auszuschalten"...
Ganz anders die Entwicklung auf dem aufgabenorientierten Pfad: Hier wird Künstliche Intelligenz als Arbeitsansatz verstanden - nicht als Glaubensbekenntnis. Es geht darum, "intelligente Funktionen im Sinne einer Black Box" zu finden, mit denen klar definierte, technische Aufgaben gelöst werden (z.B. Pattern recognition, Robotics, etc.) Und nicht um die Nachbildung oder Simulation psychologischer oder biochemischer Vorgänge.
Bei Atraxis wurde auf dem aufgabenorientierten Pfad der künstlichen Intelligenz unter 30 anderen z.B. das Zusatzmodule "Super Agent" zum Buchungs- und Sitzreservations-System PARS zur Erkennung von Mehrfachreservationen entwickelt - ein häufig angewendeter "Trick" in der Geschäftswelt, indem für den Rückflug gleich auf verschiedenen Flügen Sitze reserviert werden, um gerade bei unvorhergesehenem Sitzungsverlauf doch noch am Abend zurückzufliegen. Neben der nur schwer erfassbaren Verbesserung der Dienstleistung gegenüber den Kunden (weniger überbuchte Flüge) belief sich der nachweisbare Erfolg schon im ersten Betriebsjahr auf einen Gegenwert von 2.2 Mio $ an, trotz Doppelbuchung noch besetzter Sitze ! Damit wurde Super Agent zum Verkaufsargument für PARS, doch: "...damit wurden wir leider auch zum Opfer unseres Erfolgs: Der Verkauf fordert nun, dass wir Super Agent z.B. auf C oder noch besser auf JAVA umschreiben, da sich LISP-Programme heute nunmehr schwer verkaufen lassen ...". Das Team von Herrn Bena sieht sich zudem auch mit dem Dilemma konfrontiert, dass die verhältnismässig teure LISP-Entwicklungsplattform zunehmend zur Wartungsfalle wird: die Verfügbarkeit in Zukunft muss heute über ein umfangreiches Ersatzteillager gewährleistet werden, das auf dem Zweithand-Markt zusammengekauft wird. Weiter ist es heute unter den gegebenen Randbedingungen (u.a. LISP, k(l)eine "Karriere"-Chance ...) schwierig, gute Fachkräfte für Software-Entwicklungen zu motivieren. Dabei gilt für "Super Agent" natürlich dasselbe wie für den in Assembler geschriebenen Teil des Reservationssystems! Der Vorteil der derzeitigen LISP-Lösung liegt darin, dass Entwicklung und Betrieb der Software von denselben (hochspezialisierten) Leuten geleistet werden kann (Personalersparnis!), aber auch darin, dass ein LISP-Spezialist Lösungen sehr rasch modellieren und praktisch ohne Zwischenschritt z.B. über "rapid prototyping" nach einem Anwendergespräch die Lösung implementieren kann.
Sackgasse oder Trampelpfad?
Die SAir-Gruppe verfügt mit dem Team von Herrn Bena jedenfalls über ein einzigartiges Know-how im Bereich der Künstlichen Intelligenz, das einen auch aus finanzieller Sicht sehr attraktiven Beitrag zum Softwareangebot von Atraxis leisten kann, vorausgesetzt, die interne Zusammenarbeit und insbesondere jene mit dem Anwender, kann auf dem heutigen sehr hohen Niveau gehalten und weiter ausgebaut werden.
Trotz der in letzter Zeit in den Massenmedien grassierenden Unkenrufe zum Schicksal der Swissair bin ich heute überzeugt, dass das Team von Herrn Bena vom Schicksal des Matrosen im nebenstehenden Bild verschont bleiben wird und wünsche im Namen der GST mit dem besten Dank für den ausgezeichneten Vortrag und für die sehr interessante und offene Diskussion viel Kraft und Energie für eine weiterhin erfolgreiche Zukunft.
Tel: 044 383 01 33
Mail: sekretariat(at)gst.ch